11 .Betriebliche Altersversorgung
BAG, Urt. v. 12.12.2006 - 3 AZR
806/05, Pressemitteilung Nr. 80/06
1. Auch
Betriebsrenten sind beitragspflichtige Einnahmen zur gesetzlichen
Krankenversicherung (§ 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Die jeweilige Zahlstelle hat
die
Beiträge einzubehalten und an die zuständige Krankenkasse zu zahlen (§ 256 Abs.
1 Satz
1 SGB V).
2. Ist bei
der Zahlung der Betriebsrente die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben, sind
die rückständigen Beiträge von der Zahlstelle aus der weiterhin zu zahlenden
Betriebsrente einzubehalten (§ 256 Abs. 2 Satz 1, § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V).
Anders als
nach § 28g SGB IV (wonach ein unterbliebener Abzug des vom Arbeitnehmer zu
tragenden Teils des Gesamtversicherungsbeitrags vom Arbeitsentgelt
grundsätzlich nur
bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden darf,
danach nur
dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist) ist
der
nachträgliche Einbehalt zeitlich nicht begrenzt. Diese Unterscheidung verstößt
nicht
gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz (Art. 3 GG). § 28 g SGB IV
verhindert,
dass die Arbeitnehmer das Risiko tragen, wenn sie von ihrem Arbeitgeber
fälschlicherweise als Selbständige behandelt werden. Eine vergleichbare
Interessenlage
besteht bei Betriebsrentnern nicht.
12. Betriebliche Übung
BAG, Urt. v. 28.6.2006 - 10 AZR
385/05, NZA 2006,1174
Die
Beurteilung, ob aus den vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen eine
betriebliche Übung hinsichtlich der Gewährung von Leistungen entstanden ist
oder nicht, unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung.
Inhalt und
Reichweite einer betrieblichen Übung, die sich aus dem tatsächlichen Verhalten
des Arbeitgebers ableitet, haben die Tatsachengerichte unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Bisher ist der Senat davon
ausgegangen, dass das Revisionsgericht nur zu prüfen habe, ob der angenommene
Erklärungswert des tatsächlichen Verhaltens den Auslegungsregeln der §§ 133 ,
157 BGB entspreche und mit den Gesetzen der Logik und den allgemeinen
Erfahrungssätzen vereinbar sei (vgl. BAG 19. Januar 1999-9 AZR 667/97 -; 16.
Januar 2002 - 5 AZR 715/00 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 56 = EzA TVG §
4 Tariflohnerhöhung Nr. 37; 16. April 1997 -10 AZR 705/96 - AP BGB § 242
Betriebliche Übung Nr. 53 - EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 39). Für eine
volle revisionsrechtliche Überprüfung spricht der lang andauernde gleichförmige
Charakter der betrieblichen Übung, der sich auf eine Vielzahl von
Arbeitsverhältnissen bezieht. Der Neunte Senat neigt aus diesen Gründen dazu,
eine volle revisionsrechtliche Überprüfung für möglich zu halten (20. Januar
2004 -9 AZR 43/03 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 65 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 5). Der Senat schließt
sich dieser Ansicht an. Eine betriebliche Übung wirkt auf alle
Arbeitsverhältnisse. Individuelle Einzelheiten werden nicht verhandelt. Sie
kommt daher ähnlich wie die Verwendung eines Formulararbeitsvertrages in die
Nähe von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren Auslegung revisionsrechtlich
voll überprüfbar ist, wobei die zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen den
Instanzgerichten obliegen.
13. Betriebsrat, Mitbestimmungsrecht
BAG, Beschl.
v. 28.6.2005 -1 ABR 26/04, NZA 2006,111
1. Zu den
nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorzulegenden Bewerbungsunterlagen und zu
erteilenden Auskünften gehört auch eine Mitteilung über den Gesprächsinhalt von
Vorstellungsgesprächen mit den anderen Bewerbern, deren Einstellung nicht
beabsichtigt
ist, wenn diese für die Auswahlentscheidung maßgeblich sind.
2. Der
Arbeitgeber hat den Betriebsrat über den Gesprächsinhalt der
Vorstellungsgespräche zumindest dann auch ohne dahingehendes Verlangen zu
informieren, wenn er sich in einem Frauenförderplan verpflichtet hat, bei
gleicher
Eignung den Anteil von Frauen in den Bereichen zu erhöhen, in denen sie
zahlenmäßig
unterrepräsentiert sind.
BAG, Beschl.
v. 26.7.2005 -1 ABR 29/04, NZA 2005,1372
Ein
Punkteschema für die soziale Auswahl ist auch dann eine nach § 95 Abs. 1 BetrVG
mitbestimmungspflichtige Auswahlrichtlinie, wenn es der Arbeitgeber nicht
generell auf alle künftigen betriebsbedingten Kündigungen, sondern nur auf
konkret bevorstehende Kündigungen anwenden will.
Verletzt
der Arbeitgeber in einem solchen Fall das Mitbestimmungsrecht, kann ihm auf
Antrag des Betriebsrats die Wiederholung des mitbestimmungswidrigen Verhaltens
auf der Grundlage des allgemeinen Unterlassungsanspruchs gerichtlich untersagt
werden.
BAG, Beschl.
v. 28.2.2006 - 1 ABR 4/05, NZA 2006,1426
Hat der
nicht tarifgebundene Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern die Geltung von
Tarifverträgen über Zuschläge, Zulagen, Urlaubsgeld und eine Jahreszuwendung
vereinbart, kann auch die vollständige Streichung dieser Leistungen für neu
eingestellte Arbeitnehmer dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87
Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegen.
BAG, Beschl.
v. 12.12.2006 -1 ABR 13/06, juris
Der
Betriebsrat hat nach § 99 Abs 1 Satz 1 BetrVG ein Mitbeurteilungsrecht bei der
Frage, ob ein bislang außertariflich vergüteter Angestellter nach einer
Versetzung weiterhin außertariflich eingruppiert ist oder nunmehr unter eine
tarifliche Vergütungsordnung fällt.
14.Betriebsübergang
BAG, Urt. v. 16.2.2006 - 8 AZR
211/05, NZA 2006, 592
Haben zwei
Unternehmen in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen (hier: privates und
gewerbliches Handwerk) einen eigenen Geschäftsführer, liegt mangels eines
einheitlichen betriebsbezogenen Leitungsapparates kein gemeinsamer Betrieb vor,
auch wenn die Geschäftsführer Familienmitglieder sind.
§ 613a BGB
führt nicht zur Schaffung eines rechtlichen Zusammenhanges zwischen
Unternehmen, die vereinzelt Betriebsmittel erwerben oder nutzen, sondern nur
zum Übergang eines Arbeitsverhältnisses auf einen einzigen Betriebsübernehmer.
Ein Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers zu einer Arbeitgebergruppe ist daraus
nicht herzuleiten.
Für einen
Teilbetriebsübergang nach § 613a Abs. 1 BGB ist es erforderlich, dass die
übernommenen Betriebsmittel bereits bei dem früheren Betriebsinhaber die
Qualität eines Betriebsteils hatten und der Erwerber gerade die prägenden
materiellen Betriebsmittel des Teilbetriebs übernimmt. Dazu reicht es nicht aus
nur jeweils einzelne Räume des ehemaligen Firmengebäudes, das Lager und 3 bzw 4 von vormals 21 Fahrzeugen zu nutzen. Auch ist die
Firmenadresse für einen Betrieb ohne Laufkundschaft nicht prägend für die
Identität.
Ist die
Hauptbelegschaft des Ausgangsbetriebes (hier einer technischen Zeichnerin, ein
Bauleiter und zwei kaufmännische Angestellte) von beiden Betrieben nicht
übernommen worden, stellt dies eine starke Veränderung der organisatorischen
Abläufe dar, die die Wahrung der Identität für einen Betriebsübergang
ausschließt.
BAG, Urt. v. 2.3.2006 - 8 AZR 147/05,
NZA 2006,1105
1. Die Herausnahme von Seeschiffen aus dem Geltungsbereich der
Betriebsübergangsrichtlinie EGRL 23/2001 bindet nicht die nationalen Gerichte,
so dass
§ 613a BGB anwendbar bleibt.
2. Einzelne
Forschungsschiffe mit ihren für Forschungszwecke erforderlichen
wissenschaftlichen Einrichtungen und Organisationen stellen eine
wirtschaftliche Einheit
dar. Bei einer Bereederung eines Forschungsschiffs
liegt ein Teilbetrieb der Reederei
i.S.v. § 613a BGB vor. Eigentumsverhältnisse spielen dabei keine Rolle.
3. Ein
rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang liegt auch vor, wenn ein Betrieb nach
Vergabe eines öffentlichen Auftrags übertragen wurde.
BAG, Urt. v. 2.3.2006 - 8 AZR
124/05, NZA 2006, 848
1. § 613a
BGB ist für Betriebsübergänge, die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kraft
Gesetzes vollzogen werden, unanwendbar. Auch eine sinngemäße Anwendung von §
613 a Abs. 6 BGB kommt nicht in Betracht, wenn ein Gesetz zur Überleitung von Arbeitsverhältnissen von einem Land auf eine Stiftung des öffentlichen Rechts
ausdrücklich
nur auf die Anwendung der rechtserhaltenden Regelungen gegen den neuen Arbeitgeber nach § 613a Abs. 1 - 4 BGB verweist. Der
darin gleichzeitig enthaltene Ausschluss eines Widerspruchsrechts verstößt auch
nicht gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), wenn
überwiegende Belange des Gemeinwohls die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des
übergehenden Betriebes gebieten und die Interessen der Belegschaft hierdurch
nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden.
2. Ordnet
ein Gesetz zwingend die Überleitung von Arbeitsverhältnissen vom Land auf eine
Stiftung öffentlichen Rechts an, so verstößt dieser Eingriff in die Freiheit
der Arbeitsplatzwahl des Arbeitnehmers jedenfalls dann nicht gegen Art. 12 Abs.
1 GG , wenn die Nichteinräumung eines Widerspruchsrechts der Erhaltung der
Funktionsfähigkeit einer Einrichtung der Daseinsvorsorge dient, sich die
Arbeitsbedingungen nicht wesentlich ändern und dem Arbeitnehmer mit dem neuen
Arbeitgeber ein vergleichbar potenter Schuldner gegenübersteht.
BAG, Urt. v. 6.4.2006 - 8 AZR
249/04, NZA 2006,1039
Ein
Betriebsübergang iSd. § 613a BGB setzt die im
Wesentlichen unveränderte Fortführung einer wirtschaftlichen Einheit unter
Wahrung ihrer Identität voraus. Ein Betrieb oder Betriebsteil geht daher nur
dann über, wenn er beim Erwerber als Betrieb oder organisatorisch selbständiger
Betriebsteil fortgeführt wird. Dies ist nicht der Fall, wenn ein
Bewirtschaftungsbetrieb vollständig in die eigene Organisationsstruktur eines
anderen Unternehmens eingegliedert wird.
Anm.: Die
Klägerin war seit 1995 als Bistro-Stewardess bei der Beklagten zu 1), einem
Catering-Unternehmen, beschäftigt. Diese betrieb die Bistros von 16 Interregio-Verbindungen auf der Strecke Düsseldorf-Weimar.
Die Beklagte zu 2), eine Tochter der Bahn AG, führte die Zugbewirtschaftung mit
dem Fahrplanwechsel im Dezember 2002 in den nunmehr statt der 16 Interregios auf dieser Strecke eingesetzten sechs ICE- und
zehn IC-Zügen selbst durch. Sie übernahm kein Personal und bewirtschaftete
diese Strecke -wie alle ihre übrigen Züge - nach eigenem Konzept.
BAG, Urt. v. 6.4.2006 - 8 AZR
222/04, NZA 2006, 723
Bei der
Prüfung, ob ein Betriebsübergang gegeben ist, ist das Merkmal der
eigenwirtschaftlichen Nutzung der sächlichen Betriebsmittel nicht mehr
heranzuziehen (im Anschluss an EuGH 15. Dezember 2005 - Rs. C-232/04 und
C-233/04 - ZIP 2006, 95).
Auch
sächliche Betriebsmittel spielen für die Ausführung einer Dienstleistung und
damit für die Identität der wirtschaftliche Einheit eine erhebliche Rolle, wenn
es sich um standortgebundene umfangreiche Anlagen und Maschinen handelt, die
vom potentiellen Betriebsübernehmer weiterbenutzt werden. Die
Eigentumsverhältnisse sind dabei unerheblich.
BAG v. 4.5.2006, 8 AZR 299/05, NZA
2006,1096
Ein
Betriebsübergang gemäß § 613a BGB setzt voraus, dass die Identität des
Betriebes gewahrt bleibt. Kam es beim früheren Betreiber eines Frauenhauses
lediglich zu einer Unterbringung der misshandelten Frauen und Kinder, während
der neue Betreiber ein umfassendes Präventions- und Weiterbildungskonzept
verfolgt, innerhalb dessen die Mitarbeiter des Frauenhauses auch die präventive
Beratung in Beratungsstellen durchführen, steht diese Konzeptions- und
Organisationsänderung einem Betriebsübergang entgegen; der Betrieb wird nicht
im Wesentlichen unverändert fortgeführt.
Siehe auch
Stichwort „Wiedereinstellungsanspruch".
BAG, Urt. v. 13.6.2006 - 8 AZR
271/05, NZA 2006,1101
Nutzt ein
Auftragnehmer von der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung gestellte technische
Geräte und Anlagen, um die Personenkontrolle am Flughafen durchzuführen, macht
deren Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen
Funktionszusammenhangs aus. Darin ist die wirtschaftliche Einheit zu sehen.
Führt der
Auftragnehmer darüber hinaus die Kontrolltätigkeit unverändert und ohne
zeitliche Unterbrechung fort, ist von einem Betriebsübergang auszugehen. Auf
die eigenwirtschaftliche Nutzung der sächlichen Betriebsmittel und auf
Übernahme von Personal kommt es nicht an.
BAG, Urt. v. 13.7.2006 - 8 AZR
303/05, NZA 2006,1273
1. Die
Frist zur Erklärung eines Widerspruchs gegen den Übergang eines
Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a Abs. 6 BGB wird nur durch eine ordnungsgemäße
Unterrichtung ausgelöst. Eine unterbliebene oder fehlerhafte Unterrichtung
führt nicht
zum Fristbeginn.
Eine
fehlerhafte Unterrichtung über Rechtsfragen ist im Rahmen des § 613a Abs. 5 BGB
dann aber nicht unwirksam, wenn der Unterrichtungspflichtige die Rechtslage
gewissenhaft geprüft und einen vertretbaren Rechtsstandpunkt eingenommen hat.
Die
Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB umfasst auch etwaige Ansprüche aus
einem Sozialplan.
BAG, Urt. v. 13.7.2006 - 8 AZR
305/05, NZA 2006,1268
Die Frist
zur Erklärung eines Widerspruchs gegen den Übergang eines Arbeitsverhältnisses
gemäß § 613a Abs. 6 BGB wird weder bei einer unterbliebenen noch bei einer
nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung ausgelöst.
Eine
Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB erfordert eine verständliche,
arbeitsplatzbezogene und zutreffende Information. Sie muss ua. Angaben über die Identität des Erwerbers, den
Gegenstand und den rechtlichen Grund des Betriebsübergangs sowie eine korrekte
Darstellung der rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs für den Arbeitnehmer
enthalten.
3. Wird das
Widerspruchsrecht nach dem Betriebsübergang ausgeübt, wirkt es auf den
Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurück.
BAG, Urt. v. 24.8.2006 - 8 AZR
317/05, FA 2006, 314
Eine von
dem Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist sozial
gerechtfertigt, wenn sich im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die geplante
Maßnahme objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung
darstellt.
Die bloße
Fortführung der vereinigungsbedingten Aufgaben der Vermögenszuordnung begründet
keinen Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB. Die
Gestaltungsmöglichkeit zur Vermeidung eines Betriebsübergangs und dessen Folgen
muss auch dem öffentlichen Arbeitgeber zugebilligt werden, wenn dadurch eine
öffentliche Aufgabe wie die Vermögenszuordnung in den neuen Bundesländern, die
bereits überwiegend erledigt ist, fiskalisch sinnvoll von einem bereits
bestehenden Amt zu Ende geführt werden soll.
BAG, Urt. v. 24.8.2006 - 8 AZR
574/05, DB 2007, 230
Der
Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis vor einem Betriebsübergang gekündigt
hat, bleibt für die gerichtliche Klärung der sozialen Rechtfertigung der
Kündigung auch nach dem Betriebsübergang prozessführungsbefugt. Dies gilt
zumindest dann, wenn der Betriebsübergang nach Klageerhebung erfolgte.
Obwohl nach
§ 613a Abs. 1 BGB der Betriebserwerber neuer Arbeitgeber wird, kann der
Betriebsveräußerer in diesem Rechtsstreit auch noch nach dem Zeitpunkt des
Betriebsüberganges einen Beendigungsvergleich abschließen. Der
Beendigungsvergleich wirkt zumindest dann gegenüber dem Betriebserwerber, wenn
dem Arbeitnehmer der Betriebsübergang bekannt war und der Betriebserwerber mit
dem Vergleich einverstanden ist bzw. ihn genehmigt.
BAG, Urt. v. 14.12.2006 - 8 AZR
763/05, Pressemitteilung Nr. 81/06
Eine
Unterrichtung, die den Arbeitnehmer fehlerhaft über die Haftung des bisherigen
Arbeitgebers und des neuen Betriebsinhabers über Verpflichtungen gem. § 613a
Abs. 2 BGB informiert, ist nicht ordnungsgemäß, so dass sie die einmonatige
Frist des Arbeitnehmers, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses gem. § 613a
Abs. 6 BGB zu widersprechen, nicht auslöst.
Im Falle
mangelhafter Unterrichtung kann der Arbeitnehmer dem Übergang seines
Arbeitsverhältnisses auch noch nach Ablauf der einmonatigen Frist wirksam
widersprechen (vorliegend: Unterrichtung am 2.12.03, Betriebsübergang am
1.1.04, Widerspruch am 26.10.04).
BAG, Urt. v. 15.2.2007 - 8 AZR
431/06, Pressemitteilung Nr. 14/07
1. Nutzt
ein Auftragnehmer zur Durchführung der Ausbein-,
Zerlege- und
Schlachtarbeiten die ihm vom Inhaber des Schlachthofs zur Verfügung gestellten
technischen Einrichtungen, macht deren Einsatz den eigentlichen Kern des zur
Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs aus. Darin ist die
wirtschaftliche
Einheit zu sehen. Führt der neue Auftragnehmer die Schlachtarbeiten ohne
zeitliche
Unterbrechung unverändert wie der bisherige Auftragnehmer fort, ist von einem
Betriebsübergang auszugehen. Auf die eigenwirtschaftliche Nutzung der
sächlichen
Betriebsmittel und auf die Übernahme von Personal kommt es nicht an.
2. Übergibt
der Inhaber eines Schlachthofs die Schlachtarbeiten an einen neuen
Auftragnehmer (hier: eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach
slowakischem
Recht), so gehen die Arbeitsverhältnisse der bei der bisher mit der
Durchführung der
Ausbein-, Zerlege- und Schlachtarbeiten beauftragten
Gesellschaft beschäftigten
Arbeitnehmer im Wege des Betriebsüberganges über. Auch wenn ein Arbeitnehmer
nicht
ordnungsgemäß über den Betriebsübergang unterrichtet wird, kann sein Recht, dem
Übergang seines Arbeitsverhältnisses gem. § 613a Abs. 6 BGB zu widersprechen,
verwirken (hier: Betriebsübergang zum 1.1.2005; der erst am 4.5.2006 erfolgte
Widerspruch war als verfristet anzusehen).
EuGH v. 15.12.2005 - C-232/04, NZA
2006, 29 (Güney-Görres)
Artikel 1
der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12.3.2001 zur Angleichung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der
Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder
Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass bei der Prüfung des Vorliegens eines
Unternehmens- oder Betriebsübergangs nach dieser Vorschrift im Fall einer
Auftragsneuvergabe im Rahmen der Gesamtbetrachtung die Feststellung einer
Überlassung der Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung keine
notwendige Voraussetzung für die Feststellung eines Übergangs dieser Mittel vom
ursprünglichen Auftraggeber auf den neuen Auftragnehmer ist.
15. Betriebsvereinbarung,
Sozialplan, Nachteilsausgleich
BAG, Urt. v. 3.5.2006 - 4 AZR
189/05, NZA 2006,1420
Kollektive
Regelungen außerhalb von Sozialplänen, in denen den Arbeitnehmern für den
Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung versprochen wird, die aber dann
entfallen soll, wenn der Begünstigte Kündigungsschutzklage erhebt, sind nach
Sinn und Zweck einschränkend auszulegen. Die Erhebung einer
Kündigungsschutzklage führt nur dann zum Erlöschen des Abfindungsanspruchs,
wenn für den Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt erkennbar ist, dass er die Wahl
zwischen Abfindung und Klageerhebung hat.
BAG, Beschl.
v. 27.6.2006 -1 ABR 18/05, NZA 2007,106
Für die
Ausnahme von der Sozialplanpflicht nach § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG kommt es
auf das Alter des Unternehmens und nicht des Betriebs an. Dieses Verständnis
von § 112a Abs. 2 S. 1 BetrVG steht nicht im Widerspruch zur Regelung des §
613a Abs. 1 S. 1 BGB.
Art. 3 Nr.
1 Abs. 1 EGRL 23/2001 gewährt keinen weitergehenden Arbeitnehmerschutz als §
613a Abs. 1 S. 1 BGB. Diese Regelung erfasst nur individualrechtliche Pflichten
des Veräußerers. Zu diesen gehört nicht die mögliche
Pflicht zum Abschluss eines Sozialplans mit dem Betriebsrat. Dies folgt aus dem
Zusammenhang mit Nr. 3 der Regelung, die von der Aufrechterhaltung der in einem
Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen handelt. Zudem muss es sich um
Pflichten des Veräußerers handeln, denen
"Rechte" der Arbeitnehmer entsprechen. Zu diesen zählen bloß
faktische Chancen nicht.
3. Aus Art.
6 Nr. 1 Abs. 1 EGRL 23/2001 lässt sich weder eine individuelle
Rechtsposition der Arbeitnehmer noch ein kollektivrechtlicher Anspruch einer
Arbeitnehmervertretung auf Beibehaltung des Umfangs ihrer vor dem Übergang
gegebenen Mitbestimmungsrechte ableiten.
Zwar ist
das Bundesarbeitsgericht als letztinstanzliches Gericht nach Art. 234 S. 1
Buchst, b S. 3 EG grundsätzlich gehalten, den Europäischen Gerichtshof
anzurufen, soweit in einem anhängigen Verfahren über die Auslegung von
Gemeinschaftsrecht zu befinden ist. Von einer Vorlage kann auch das
letztinstanzliche Gericht aber absehen, wenn entweder der Europäische
Gerichtshof über die Auslegungsfrage bereits entschieden hat oder wenn das
zutreffende Verständnis des Gemeinschaftsrecht derart
offenkundig ist, dass für ernstzunehmende Zweifel kein Raum besteht.
Weder das
für den Fall einer Betriebsänderung bestehende Mitbestimmungsrecht des
Betriebsrats aus § 112 Abs. 4 BetrVG als solches noch die darauf beruhende
Chance der Arbeitnehmer auf Sozialplanleistungen sind rechtlich verfestigte
Positionen, die in den Schutzbereich des Art 14 Abs. 1 GG fielen.
BAG, Urt. v. 27.6.2006 -1 AZR 322/05,
NZA 2006,1238
Ein
Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan kann nur vererbt werden, wenn er zum
Zeitpunkt des Todes des Arbeitnehmers bereits entstanden war.
Haben die
Betriebsparteien den Zeitpunkt der Entstehung des Abfindungsanspruchs nicht
ausdrücklich geregelt, ist er durch Auslegung des Sozialplans zu ermitteln.
Dabei ist im Falle einer Betriebsstilllegung insbesondere zu berücksichtigen,
dass dem Arbeitnehmer regelmäßig keine wirtschaftlichen Nachteile entstehen,
wenn er vor der betriebsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses stirbt.
BAG, Urt. v. 6.12.2006 - 4 AZR
798/05, Pressemitteilung Nr. 76/06
Tarifvertragsparteien
sind frei, im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit einen Tarifvertrag zu
vereinbaren, der die sozialen und wirtschaftlichen Folgen einer
Betriebsteilschließung für die davon betroffenen Arbeitnehmer ausgleicht oder
mildert. Hieran sind sie durch die etwa von Rechts wegen eröffnete Möglichkeit
des Betriebsrats oder Personalrats und des Arbeitgebers, einen Sozialplan
abzuschließen, nicht gehindert. In einem solchen Tarifvertrag, der seinerseits
den Abschluss eines Sozialplans nicht hindert, ist eine Regelung zulässig,
welche die Zahlung einer Abfindung an betriebsbedingt gekündigte Arbeitnehmer
davon abhängig macht, dass diese gegen die Kündigung keine
Kündigungsschutzklage erheben, wenn die schriftliche Kündigung einen
entsprechenden Hinweis des Arbeitgebers enthält. Eine solche Regelung verstößt
weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) noch gegen das
Maßregelungsverbot (§ 612a BGB).
16. Eingruppierung
BAG, Urt. v. 23.8.2006 - 4 AZR
417/05, DB 2007, 291
Die
wiederholte korrigierende Rückgruppierung des Arbeitnehmers bei unveränderter
Tätigkeit und Tarifrechtslage ist regelmäßig unzulässig.
Im
Einzelfall kann es gegen Treu und Glauben ( § 242 BGB
) in der Erscheinungsform des widersprüchlichen Verhaltens (" venire contra factum proprium
") verstoßen, wenn sich der Arbeitgeber auf die Fehlerhaftigkeit der
bisherigen tariflichen Bewertung beruft. Nach dem Grundsatz des Verbotes
widersprüchlichen Verhaltens ist ein Verhalten dann als rechtsmissbräuchlich
anzusehen, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen
lassen.
17. Freistellung,
Freistellungsklausel, Beschäftigungsanspruch
BAG, Urt v. 6.9.2006 - 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36
Stellt der
Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung für
die Dauer der Kündigungsfrist unter Anrechnung bestehender Urlaubsansprüche von
der Arbeit frei und bittet er den Arbeitnehmer zugleich, ihm die Höhe des
während der Freistellung erzielten Verdienstes mitzuteilen, überlässt der
Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die zeitliche Festlegung der Urlaubszeit und gerät
während der verbleibenden Zeit gem. § 293 BGB in Annahmeverzug.
18. Freiwilligkeits-, Widerrufs-,
Änderungsvorbehalt
BAG, Urt. v. 1.3.2006 - 5 AZR
363/05, NZA 2006, 746
Wird in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Zulage unter dem Vorbehalt der Anrechnung
gewährt, ohne dass die Anrechnungsgründe näher bestimmt sind, führt dies nicht
zur Unwirksamkeit nach § 308 Nr. 4 BGB. Eine solche Klausel verstößt auch nicht
gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Die Klausel
"freiwillige, jederzeit widerrufliche und anrechenbare betriebliche
Ausgleichszulage" regelt zwei Sachverhalte. Die Zulage soll widerruflich
und anrechenbar sein. Die Regelung einer "freiwilligen, jederzeit
widerruflichen Zulage" beinhaltet die Vereinbarung einer Leistung, zu der
die Beklagte weder gesetzlich, noch tarifvertraglich oder betriebsverfassungsrechtlich
verpflichtet ist. Erst mit der Zusage der Leistung wird ein
individualrechtlicher Anspruch begründet. Der Hinweis auf die Freiwilligkeit
der Leistung steht dem nicht entgegen. Damit drückt der Arbeitgeber lediglich
aus, nicht aus anderen Gründen zu der Leistung verpflichtet zu sein. Will der
Arbeitgeber jeden Anspruch für die Zukunft ausschließen, hat er dies deutlich
zu machen (vgl. hierzu BAG 12. Januar 2000 - 10 AZR 840/98 - AP BGB § 611
Gratifikation Nr. 223 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 158). Der
Kläger hat damit einen vertraglichen Anspruch auf die Zulage, bis die Beklagte
das vorbehaltene Widerrufsrecht ausübt oder eine Anrechnung erfolgt.
BAG, Urt. v. 11.10.2006 - 5 AZR
721/05, NZA 2007, 87
Ein
arbeitsvertraglicher Widerrufsvorbehalt, wonach freiwillige Leistungen
"jederzeit unbeschränkt" widerrufen werden können, ist gemäß § 308
Nr. 4 BGB unwirksam. Voraussetzungen und Umfang der vorbehaltenen Änderungen
müssen konkretisiert werden.
Auch wenn
der Verwender des Formulararbeitsvertrages die Voraussetzungen für einen
Widerruf konkretisieren muss, ergibt sich daraus bei vor dem 1. Januar 2002
abgeschlossenen Verträgen nicht zwingend die Unwirksamkeit des erfolgten
Widerrufs, wenn die Konkretisierung unterblieben ist.
Wenn der
Verwender bei Abschluss des Arbeitsvertrages die §§ 307ff. BGB nicht
berücksichtigen konnte und die Klausel nur deswegen unwirksam ist, weil sie in
formeller Hinsicht den neuen Anforderungen nicht genügt, bedarf es zur
Schließung der entstandenen Lücke der ergänzenden Vertragsauslegung.
19.Gemeinsamer Betrieb
BAG, Urt. v. 17.8.2005 - 7 ABR
62/04, juris
Die beim
Landesarbeitsgericht unterbliebene Beteiligung des Betriebsrats ist für die
Überprüfung des angefochtenen Beschlusses ohne Bedeutung, wenn der Verfahrens
fehl er nicht gerügt worden ist.
§ 18 Abs. 2
BetrVG findet auch Anwendung, wenn es um die Klärung der Frage geht, ob mehrere
Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb führen. Das Verfahren dient dazu, die
Voraussetzungen für eine (künftige) ordnungsgemäße Betriebsratswahl zu
schaffen. Die gerichtliche Entscheidung klärt daher eine für die gesamte
Betriebsverfassung grundsätzliche Vorfrage, indem sie verbindlich festlegt,
welche Organisationseinheit als der Betrieb anzusehen ist, in dem ein Betriebsrat
gewählt wird und in dem er seine Beteiligungsrechte wahrnehmen kann. Für die
Zulässigkeit eines Antrags nach § 18 Abs. 2 BetrVG kommt es daher nicht darauf
an, in welchen betrieblichen Organisationseinheiten bereits Betriebsräte
gewählt sind. Damit ist die betriebsverfassungsrechtliche Situation allenfalls
für die laufende Amtszeit der Betriebsräte geklärt. Für künftige
Betriebsratswahlen besteht nach wie vor ein Interesse an der Feststellung, in
welcher Organisationseinheit ein Betriebsrat zu wählen ist.
Bei den
Begriffen des Betriebs und des gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen
handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Anwendung durch das
Landesarbeitsgericht nur einer eingeschränkten rechtsbeschwerderechtlichen
Überprüfung daraufhin unterliegt, ob das Landesarbeitsgericht den Rechtsbegriff
verkannt, bei der Subsumtion des festgestellten
Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff Denkgesetze oder allgemeine
Erfahrungssätze verletzt oder wesentlichen Tatsachenstoff unberücksichtigt
gelassen hat.
Die nach UStG, KStG und GewStG erforderliche organisatorische bzw finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger betrifft nur
die Unternehmensebene, nicht aber die für den Betriebsbegriff des § 1 BetrVG
maßgebliche betriebliche Ebene.
BAG, Urt. v. 16.2.2006 - 8 AZR
211/05, NZA 2006, 592
Haben zwei
Unternehmen in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen (hier: privates und
gewerbliches Handwerk) einen eigenen Geschäftsführer, liegt mangels eines
einheitlichen betriebsbezogenen Leitungsapparates kein gemeinsamer Betrieb vor,
auch wenn die Geschäftsführer Familienmitglieder sind.
§ 613a BGB
führt nicht zur Schaffung eines rechtlichen Zusammenhanges zwischen
Unternehmen, die vereinzelt Betriebsmittel erwerben oder nutzen, sondern nur
zum Übergang eines Arbeitsverhältnisses auf einen einzigen Betriebsübernehmer.
Ein Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers zu einer Arbeitgebergruppe ist daraus
nicht herzuleiten.
Für einen
Teilbetriebsübergang nach § 613a Abs 1 BGB ist es erforderlich, dass die
übernommenen Betriebsmittel bereits bei dem früheren Betriebsinhaber die
Qualität eines Betriebsteils hatten und der Erwerber gerade die prägenden
materiellen Betriebsmittel des Teilbetriebs übernimmt. Dazu reicht es nicht aus
nur jeweils einzelne Räume des ehemaligen Firmengebäudes, das Lager und 3 bzw 4 von vormals 21 Fahrzeugen zu nutzen. Auch ist die
Firmenadresse für einen Betrieb ohne Laufkundschaft nicht prägend für die
Identität.
4. Ist die
Hauptbelegschaft des Ausgangsbetriebes (hier eine technischer Zeichnerin, ein Bauleiter und zwei kaufmännische Angestellte) von beiden
Betrieben nicht übernommen worden, stellt dies eine starke Veränderung der
organisatorischen Abläufe dar, die die Wahrung der Identität für einen
Betriebsübergang ausschließt.
20.Gleichbehandlung
BAG, Urt. v. 11.4.2006 - 9 AZR
528/05, NZA 2006,1217
Der
arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist insbesondere dann verletzt,
wenn der Arbeitgeber gegen eine die sachfremde Ungleichbehandlung von
Arbeitnehmern ausdrücklich verbietende Norm, wie zB §
611a BGB oder § 4 TzBfG, verstößt. Dies gilt auch für den Fall, dass der
Arbeitgeber gegen eine die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern bezweckende
Richtlinie der EG verstößt.
Obwohl eine
Umsetzung der EGRL 78/2000 in nationales Recht bislang nicht erfolgt ist, muss
dennoch im Rahmen der Prüfung, ob eine Maßnahme den arbeitsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, auch ein etwaiger Verstoß gegen diese
Richtlinie mitberücksichtigt werden. Es ist Aufgabe des nationalen Gerichts,
sein nationales Recht -hier den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz -
in einer Weise anzuwenden, die im Ergebnis einer Drittwirkung der Richtlinie
für das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichkommt.
Ein
Schulträger, der mit Lehrern, die das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet
hatten, in Abänderung der bisherigen Arbeitsverträge einen Anstellungsvertrag
mit der Zusage beamtenrechtlicher Besoldung und Versorgung abschließt, um sie
an seine Schule zu binden, hingegen Lehrern, bei denen wegen ihres Alters nicht
zu besorgen ist, dass sie in den öffentlichen Schuldienst abwandern, den
Abschluss eines beamtenrechtlichen Arbeitsvertrages nicht anbietet, verletzt
nicht den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz - konkretisiert durch
die EGRL 78/2000.
Eine
Ungleichbehandlung wegen Alters lässt die EGRL 78/2000 zu, wenn die Vorschriften,
Kriterien oder Verfahren, die zu einer ungünstigeren Behandlung wegen des
Alters führen, durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die
Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind, Art 2
Abs. 2 b) EGRL 78/2000.
BAG, Urt. v. 14.6.2006 - 5 AZR
584/05, EzA-SD 2006, Nr. 19, 3-4
Ein
maßgeblich von der Bundesrepublik Deutschland gefördertes Unternehmen (hier:
Großforschungseinrichtung) verstößt nicht gegen den arbeitsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn es unabhängig von einer beiderseitigen
Tarifbindung das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes einschließlich der
unterschiedlichen Anknüpfungspunkte für die Geltung von BAT und BAT-0 anwendet.